Das Jahresende naht. Verfallen Urlaubstage, die bis zum 31.Dezember nicht genommen werden? Das könnte man meinen. Denn nach dem Bundesurlaubsgesetz ist der Urlaub im jeweiligen Urlaubsjahr, das heißt im laufenden Kalenderjahr zu gewähren, so die Regel. Üblicherweise wird der Arbeitnehmer seinen Urlaubswunsch dem Arbeitgeber rechtzeitig mitteilen, den dieser dann auch genehmigen muss. Es sei denn, dem Urlaubsanspruch stehen sogenannte dringende betriebliche Gründe entgegen. So darf der Arbeitgeber im Falle eines nicht vorhersehbaren Arbeitsanfalls, bei Saisonbetrieb am Ende des Jahres oder eines hohen Krankenstandes in der Belegschaft den Urlaub verweigern. Dann wird der noch offene Urlaubsanspruch aus dem laufenden Kalenderjahr in das Folgejahr übertragen. Das gilt auch, wenn der Arbeitnehmer zum Beispiel wegen eigener Erkrankung, also aus persönlichen Gründen, seinen Urlaub nicht mehr rechtzeitig bis zum Jahresende nehmen kann.
Verfall möglich
Die Übertragung erfolgt automatisch kraft Gesetzes, allerdings nur auf das erste Quartal des Folgejahres. Das heißt, der Urlaub muss dann bis zum 31.März des Folgejahres gewährt und genommen werden. Aus dem Arbeitsvertrag oder tarifvertraglichen Regelungen kann sich auch ein längerer Übertragungszeitraum ergeben. Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) erweitert den Übertragungszeitraum zum Beispiel bis zum 31.Mai des Folgejahres. Nimmt der Arbeitnehmer indes den Urlaub innerhalb des gesetzlich, arbeitsvertraglich oder tarifvertraglich geltenden Übertragungszeitraums nicht, verfällt er dann endgültig. Dem Arbeitnehmer steht dann auch kein Ersatzanspruch in Geld zu, wie unter anderem das LAG Düsseldorf in einer Entscheidung am 25.7.2016 (Az.9 Sa 31/16) noch einmal deutlich gemacht hat. Und Vorsicht: Urlaubstage können auch verfallen, wenn Arbeitnehmer ihren Urlaub im laufenden Kalenderjahr nicht rechtzeitig beantragen und in Anspruch nehmen, obwohl dies möglich gewesen wäre. Versäumen sie das, haben sie Pech gehabt und auch hier gibt´s dann keinen Ersatzanspruch, weder in Geld noch in Form eines Ersatzurlaubes. Denn Urlaub ist im Grundsatz im jeweiligen Kalenderjahr zu nehmen und nach der geltenden Rechtsprechung des höchsten deutschen Arbeitsgerichts, dem Bundesarbeitsgericht (BAG), ist der Arbeitgeber auch nicht verpflichtet, säumige Mitarbeiter an womöglich noch bestehende Resturlaubstage zu erinnern oder ihnen gar den Urlaub zu erteilen. Einige Arbeitsgerichte sehen dies jedoch anders und vielmehr den Arbeitgeber in der Pflicht. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 12.6.2014 ¡V Az. 21 Sa 221/14) und das Landesarbeitsgericht München (Urteil vom 6.5.2015 ¡V Az. 8 Sa 982/14) beispielsweise machen jeweils den Arbeitgeber weiter haftbar, unabhangig davon, ob der Arbeitnehmer überhaupt Urlaub beantragt hatte. Im Ergebnis kann dem Arbeitnehmer dann auch nach dem Jahreswechsel ein Schadensersatzanspruch in Höhe der nicht gewährten Urlaubstage zustehen. Die Richter in Berlin und München begründen dies mit dem eigentlichen Zweck des Urlaubsanspruchs, nämlich dem Gesundheits- beziehungsweise Arbeitsschutz. Solche Gesundheits- beziehungsweise Arbeitsschutzvorgaben müssten Arbeitgeber auch ohne vorherige Aufforderung durch die betreffenden Mitarbeiter einhalten, weshalb sie auch die Erfüllung zumindest des gesetzlichen Mindesturlaubs ohne Aufforderung durch den Arbeitnehmer zu gewährleisten hätten.
Risiko vermindern
Aufgrund dieser aktuell nicht eindeutigen Rechtslage werden Arbeitgeber zukünftig vermehrt darauf achten, dass Mitarbeiter ihren Urlaub rechtzeitig nehmen und sie sich nicht der Gefahr einer Schadensersatzpflicht aussetzen. Andererseits ist auch Arbeitnehmern zu raten, nicht unnötig das Risiko eines möglichen Verfalls von Urlaubstagen einzugehen und Resturlaub in der Firma pünktlich anzumelden.
Zwischenzeitlich ist die Rechtslage eindeutig und hat sich Bundesarbeitsgericht der Argumentation des LAG Berlin-Brandenburg und des LAG München angeschlossen. Nach Ansicht der Richter erlischt der Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub demnach in der Regel nur dann am Ende des Kalenderjahres, wenn der Arbeitgeber ihn zuvor über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat (BAG Urteil vom 19.02.2019 – Aktenzeichen 9 AZR 541/15).
Eine ganz andere Problematik bei der Urlaubsübertragung stellt sich bei sogenannten Langzeiterkrankten, also Mitarbeitern, die ihren Urlaub aufgrund längerer Arbeitsunfähigkeit weder im eigentlichen Urlaubsjahr noch während des Übertragungszeitraums nehmen können. Wegen europarechtlicher Vorgaben verfällt der Urlaubsanspruch erst spätestens nach 15 Monaten nach dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem der konkrete Urlaubsanspruch entstanden ist.
Veröffentlicht in der Berliner Zeitung
Von: Tobias Werner
OKT
2016
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