Werkverträge geraten immer wieder in Misskredit, weil sie eine Beschäftigung zu Dumpinglöhnen ermöglichen. Zugleich genießen die Betroffenen nicht den Schutz und die Rechte, welche vergleichbare Mitarbeiter in einem Arbeitsverhältnis haben. Dass Firmen immer mehr Arbeiten per Werkvertrag statt mit eigenem Personal erledigen, ist nicht neu.
Seit Jahren ist bei der Bewirtschaftung von Kantinen durch Drittfirmen oder im Bereich des Wachschutzes „Outsourcing“ kein Fremdwort mehr. Aber auch für das Einräumen von Regalen in Supermärkten oder bei Zuarbeiten in der Metallindustrie verzichten die Firmen auf eigene Arbeitnehmer.
Angesichts einer zunehmenden Spezialisierung sind Werkverträge ein wichtiges Instrument für die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens. Problematisch wird es jedoch, wenn Werkverträge missbraucht werden, um arbeits- und tarifrechtliche Standards zu umgehen und niedrige Löhne durchzusetzen. Aufsehen erregte zuletzt die vielfache Beschäftigung von Arbeitern aus Rumänien und Bulgarien in Schlachthöfen. Weil die ausländischen Werkvertragsbeschäftigten nicht direkt bei dem Schlachthof angestellt waren, können die im Ausland ansässigen Drittfirmen die dort geltenden Niedriglöhne auch in Deutschland durchsetzen.
Andere Branche, ähnliches Problem. Auch in der Automobilindustrie erfreuen sich Werkverträge wachsender Beliebtheit. Ob aber eine Beschäftigung auf Grundlage eines Werkvertrages vorliegt oder die Betreffenden nicht vielmehr als Teil der Stammbelegschaft zu sehen sind, wird wie im Falle zweier IT-Fachleute, die jahrelang für einen namhaften Autobauer über Scheinwerkverträge zu schlechteren Arbeitsbedingungen als vergleichbare Angestellte tätig waren, immer wieder die Arbeitsgerichte beschäftigen. Das Baden-Württembergische Landesarbeitsgericht in Stuttgart hatte hier jüngst unzulässige Scheinwerkverträge festgestellt, da die beiden IT-Fachleute nach Auffassung der Richter über Jahre hinweg wie reguläre Arbeitnehmer für den Autobauer beschäftigt waren.
Am 25. September hatte das Bundesarbeitsgericht über einen weiteren Fall zu entscheiden und hierbei die Abgrenzungskriterien zwischen Werk- und Arbeitsvertrag deutlich skizziert. Gegenstand eines Werkvertrags sei die Herstellung oder Veränderung einer Sache oder ein anderer durch eine Dienstleistung herbeizuführender Erfolg. Gegenstand eines Arbeitsvertrages ist hingegen die Tätigkeit als solche. Bei einem Arbeitsverhältnis wird die vereinbarte Tätigkeit weisungsgebunden geleistet.
Welches Rechtsverhältnis vorliegt, ist anhand einer Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Widersprechen sich Vereinbarung und Durchführung, ist letztere maßgebend. Tatsächlich war der Mitarbeiter im vorliegenden Fall mit klar vorgegebenen Aufgaben betraut, die er in einer entsprechenden Dienststelle bei festen Arbeitszeiten zu erbringen hatte. Auch hatte man ihm einen PC-Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt. Diese Punkte waren für das Gericht ausreichend, um in der Gesamtschau eine Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit festzustellen, auch wenn vertraglich etwas anderes formuliert war. Der Mitarbeiter steht also trotz Werkvertrages in einem Arbeitsverhältnis und genießt so zum Beispiel Kündigungsschutz und hat Anspruch auf bezahlten Urlaub und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
So einfach lässt sich der Fall der Schlachthofmitarbeiter indes nicht lösen, denn diese besitzen offiziell ja einen Vertrag mit einer Drittfirma. Nur ein für allgemeingültig erklärter Mindestlohn könnte die Situation verbessern. Denn der würde auch für ausländische Werkvertragsbeschäftigte gelten.
Mit dem Mindestlohngesetz gilt für Arbeitnehmer seit dem 1. Januar 2015 ein flächendeckender allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn in Höhe von zunächst 8,50 € brutto je Zeitstunde. Zum 1. Januar 2019 wurde der Mindestlohn auf 9,19 € erhöht.
Veröffentlicht in der Berliner Zeitung
Von: Tobias Werner
OKT
2013
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